
Jamestown Knock Out
Nirgendwo sonst ist die Dichte an Box-Clubs und Weltmeistern so hoch wie in Jamestown, einem armen Stadtteil der ghanaischen Haupstadt Accra. Nicht weniger als neun Söhne des Viertels haben einen WM-Gürtel geholt.
Schweiß tropft George Ashie von der Stirn. Rechts,
links, Schlag, rechts, links, Schlag – der Trainer gönnt
seinem Schützling keine Pause. Wer morgen ein
Weltmeister werden will, muss heute hart trainieren.
Das zeugt auch die Schrift auf dem Gebäude:
„House of Pain“, Haus des Schmerzes, steht da rot auf
rosarotem Verputz. So wie der 20-Jährige boxen sich
in Jamestown viele junge Männer durch ihre Jugend.
Es ist eines der ältesten und ärmsten Viertel der
ghanaischen Hauptstadt Accra, aber gleichzeitig eines
der lebendigsten – auf den Straßen wird gelacht,
getanzt und viel gekämpft. Nirgendwo sonst auf der
Welt ist die Dichte an Box-Clubs und Weltmeistern
höher als hier, nicht weniger als neun Söhne des
Stadtteils haben einen WM-Gürtel nach Hause geholt.
Das fensterlose Zimmer von George wird nur durch
den laufenden Fernseher erhellt. Er zeigt stolz die
Trophäen von ersten lokalen Siegen. Über seinem
Schlafplatz hängt das Bild des großen Helden Azumah
Nelson. Der 55-Jährige gilt als der größte afrikanische
Boxer aller Zeiten. Zwischen Mitte der 1980er und
1990er hat sich Nelson drei Weltmeistertitel im Federgewicht
erkämpft. Viele der Profis kehren spätestens
nach ihrem Ruhestand in die Heimat zurück, lassen
Schulen bauen und Box-Clubs einrichten. Ansonsten
sind die „Gyms“ meist eine ziemlich improvisierte
Sache. Nur die wenigsten haben ein Dach, es wird auf
blankem Beton trainiert. Bei einigen kann man durch
die Wandritzen blicken und den Golf von Guinea
sehen, an manchen Tagen kann man ihn auch riechen.
Das Trainingsgerät stammt vom Schrottplatz. Autoreifen
liegen herum und ausrangierte Zahnräder, die
an einer Stange befestigt als Hanteln dienen.
Jeden Morgen vor Sonnenaufgang fahren einige der
Jungboxer mit ihren Vätern und Brüdern aufs Wasser.
Die meisten Familien leben vom Fischfang. Und wenn
sie mit ihren durchtrainierten Oberarmen das Netz
einziehen sind sie sicher, dass dies nur ein Aufwärmen
ist, für ihr wahres Leben auf der Siegerseite. Der erste
Schritt dorthin ist der Erfolg in einem internationalen
Wettkampf. George Ashie glaubt, dass es für ihn nur
eine Frage der Zeit ist – und des harten Trainings, sein
Coach jedenfalls traut es ihm zu.
Erschienen in: Nevertheless 10/14
Foto: Andreas Jakwerth